Basel, 27. Januar 2009
Vom Menschen absichtlich oder ungewollt eingeführte exotische Pflanzen und Tiere können beträchtliche ökonomische Schäden anrichten und in vielen Fällen auch die einheimische Flora und Fauna bedrohen. In den letzten Jahren haben sich mehrere exotische Arten in der Schweiz stark ausgebreitet. Dazu gehört auch die asiatische Körbchenmuschel. Bisher wurde angenommen, dass kalte Winter die Ausbreitung dieser Wärme liebenden Muschel stoppen. Forscher der Universität Basel konnten nun aber zeigen, dass die Körbchenmuschel null Grad kaltes Wasser während einem Monat gut überleben kann. Dank dieser ausgeprägten Kältetoleranz dürfte die Muschel in den nächsten Jahren viele Flüsse und praktisch alle Mittellandseen der Schweiz besiedeln.
Die grosse Kälte der vergangenen Wochen ist noch in guter Erinnerung. Lange Kälteperioden können einen einschneidenden Einfluss auf die Pflanzen- und Tierwelt haben. Organismen erfrieren, wenn sie nicht an tiefe Temperaturen angepasst sind. Eingeschleppte oder eingewanderte exotische Arten sind oft Wärme liebend und deshalb besonders empfindlich gegen Kälte. So können die Bestände dieser unerwünschten, oft ökonomisch und ökologisch grosse Schäden verursachenden Arten durch Kälteperioden stark dezimiert werden. Bei der Körbchenmuschel (Corbicula fluminea) wurde bisher angenommen, dass ihre Ausbreitung durch eine minimale Wassertemperatur von 2°C begrenzt wird. Sinkt die Temperatur in einem Gewässer für kurze Zeit unter diese Temperatur, so sterben die Muscheln.
Die Körbchenmuschel gelangte in den 1920er Jahren von Asien nach Nordamerika, von wo aus sie im Ballastwasser grosser Frachtschiffe anfangs der 1980er Jahre Europa erreichte. 1985 wurde sie im deutschen Niederrhein entdeckt und seither verbreitet sie sich erfolgreich rheinaufwärts. 1995 wurde sie zum ersten Mal in Basel gefunden. Inzwischen besiedelt die Körbchenmuschel den Rhein bis zur Aaremündung, teilweise in Dichten von bis zu 600 Tieren pro Quadratmeter. Unabhängig von der fortschreitenden Ausbreitung im Rhein wurde die exotische Muschel in den letzten Jahren auch in den Bodensee, Murten-, Neuenburger- und in den Rotsee bei Luzern eingeführt.
Durch Selbstbefruchtung kann ein einzelnes Individuum dieser zwitterigen Muschelart eine neue Population gründen. Die kurze Generationsdauer und die grosse Reproduktionsrate tragen wesentlich zum exponentiellen Wachstum der Population bei, kann doch eine Muschel bis zu 8000 frei schwimmende Larven von 200 mm Grösse pro Jahr produzieren. Die Larven werden von der Strömung verbreitet, können sich aber auch an den Füssen von Wasservögeln und an Booten festheften und dadurch neue Gewässer erreichen. Larven, welche in Wasserleitungen gelangen und dort zu Muscheln auswachsen, können die Leitungen verstopfen. Auf diese Weise verursacht die Körbchenmuschel in den Vereinigten Staaten und in anderen Ländern beträchtliche ökonomische Schäden. Sie verdrängt auch einheimische Muscheln.
Forscher vom Institut für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz der Universität Basel untersuchten die Kältetoleranz der Körbchenmuschel, indem sie Tiere bei verschiedenen Wassertemperaturen überwintern liessen und in regelmässigen Abständen die Überlebensraten erfassten. Die Ergebnisse widerlegen alle bisherigen Annahmen: die exotische Muschel weist eine überraschend gute Kältetoleranz auf. Nach einem Monat lebten noch sämtliche Muscheln, welche bei Wassertemperaturen von 0 und 2°C gehalten worden waren. Nach zwei Monaten in 0-grädigem Wasser lebten noch 45 % der Muscheln, bei 2°C noch 65 %. Bei einer Wassertemperatur von 8°C überlebten alle Muscheln.
Mit Hilfe von Datenserien über die Wassertemperaturen in verschiedenen Flussabschnitten konnten die Forscher potenzielle Ausbreitungskarten für die invasive Körbchenmuschel in der Schweiz entwickeln. Mit Ausnahme der Gebirgsflüsse sinkt die Wassertemperatur in den Flüssen selten über eine Dauer von zwei Monaten unter 2°C. In diesen Flussabschnitten entfällt die bisher vermutete Ausbreitungsbarriere aufgrund zu kalter Wassertemperatur. Mit der Konsequenz, dass praktisch alle langsam fliessenden Mittellandflüsse in den kommenden Jahren von der invasiven Körbchenmuschel besiedelt werden.
Die Arbeit wird im Rahmen der öffentlichen Tagung
"Naturschutz in und um Basel" am Freitag, 30. Januar 2009, 13.15
– 17.15 Uhr im Hörsaal 102 der Universität Basel,
Petersplatz 1, vorgestellt. Eingeladen sind alle interessierten
Personen. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.
Das detaillierte Programm ist erhältlich unter: http://www.conservation.unibas.ch/news/naturschutzp.pdf
Prof. Dr. Bruno Baur
Institut
für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz
Universität Basel, St. Johanns-Vorstadt 10, 4056 Basel
Tel. 061 267 08 29, Fax 061 267 08 32 email: bruno.baur@unibas.ch
Bild: Corbicula fluminea (Foto: Stephanie Schmidlin)